Den Sinn des Stückes mit dem Herzen suchend (frei nach Goethe)
Ergänzend zum Unterricht besuchte der LK Deutsch der MSS 12 am Mittwoch, den 23.10.2019, eine Inszenierung des Stückes „Iphigenie” im Badischen Staatstheater in Karlsruhe.
Das nicht ganz einfache und zudem „verteufelt humane” (Goethe) Stück basiert auf dem griechischen Sagenkreis um Troja, der verschiedenartig in der Literatur bearbeitet wurde. Die Götter allein bestimmen das Schicksal der Menschen in der Fassung des griechischen Tragödiendichters Euripides (um 500 v.Chr.), sodass am Ende die Nachkommen des Tantalos dem Fluch der Götter nicht entgehen können (Tantalidenfluch).
Auch Goethe beschäfte sich einige Jahre mit dem Stoff des antiken Mythos. In seinem 1779 in Weimar uraufgeführten klassischen Drama hingegen kann sich Iphigenie durch ihr zunehmend autonomes, humanes Handeln von der Fremdbestimmung durch die Götter lösen und dadurch am Ende die Spirale der Gewalt durchbrechen.
Die Inszenierung von Lilja Rupprecht kombiniert beide Fassungen („Iphigenie in Aulis” sowie „Iphigenie auf Tauris”) und stellt sich besonders der zentralen Frage nach Opfer und Täter.
Auf der Bühne konnten wir Iphigenie in doppelter Ausführung (jung und bedingungslos; alt und gereift) vor einer sehr beeindruckenden Kulisse erleben. Die Darstellung einzelner Figuren wirkte auf die Schülerinnen und Schüler teilweise etwas befremdlich, ebenso die verwendete Sprache („fucking Troja”) oder auch die Musik. Besonders das Ende des Stückes (Iphigenies Bruder Orest erschießt sich) warf viele Fragen auf.
Aus diesem Grund haben wir das Angebot des Theaters genutzt, die Inszenierung mit einem Theaterpädagogen nachzubesprechen.
Herr Benedict Kömpf, Theaterpädagoge des Badischen Staatstheaters, kam heute (29.10.2019) zu uns in den Deutschunterricht und stellte sich mutig unseren Fragen.
Zunächst galt es, allgemeine Regeln zu klären: Theaterleute duzen sich. Es gibt keine falschen Antworten. Alle Fragen sind erlaubt.
In einer ersten „Aufwärmrunde” wurden Bilder, die von der Inszenierung hängengeblieben sind, erfragt, anschließend konnten wir unsere eigenen Fragen loswerden.
Bevor diese (und viele weitere) am Ende tatsächlich beantwortet wurden, wurde der Kurs im Sinne des darstellenden Spiels selbst aktiv.
In einer ersten Runde ging es um Standbilder („Image of the world”) zu verschiedenen Situationen wie Macht, Familie, Horrorfilm und zu Figuren des Stückes.
In einer zweiten Runde stellten drei Gruppen jeweils eine Figur durch eine gemeinsame Aussage, eine Bewegung und eine Emotion dar. Dabei entstanden Titel wie „Verwirrt, hektisch und verzweifelt”, „Genervte Unentschlossenheit” oder „Gewalt mit einem Schuss Glück”. Wie die Fotos zeigen, wurde die „Energiestufe” immer weiter erhöht, sodass die anfangs noch recht statischen Bilder zu leben begannen.
Den Abschluss bildeten Standbilder zu ausgesuchten Szenen des Stückes.
Und ganz am Ende konnten wir Benedict all das fragen, was wir schon immer über Theater wissen wollten...
Herzlichen Dank für diese Gelegenheit, Literatur und Theater einmal anders erfahren zu dürfen!
A. Stübing