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14.02.2023

Knirps-Theater gastiert am MSG mit „Ger(a)echt“, einem bitterkomischen Stück frei nach Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“


 

Rache und Gerechtigkeit schieben sich thematisch übereinander wie die Gesten von Astrid Sacher, wenn Sie uns an diesem 10. Februar in der Gymnastikhalle einlädt, sich mit ihr auf eine rasante Reise durch Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ zu begeben.

In 14 Rollen führt Sie uns heran an den Kern von Dürrenmatts tragikomischem Werk. Und die Solo-Darbietung erweist sich als sehr gelungen, um dem Drehpunkt noch näher zu kommen - Menschlichkeit muss man sich leisten können – oder wie Brecht es sagen würde: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

Die Güllener suchen dieses Fressen, das Festhalten an ihrem biederen Lebensmodell, das ihnen allmählich verrutscht. Sie verraten ihren Alfred Ill, der auch nicht schlechter oder besser ist als sie. Das Klärchen hat er geschwängert, im Stich gelassen und aus der Stadt getrieben. Klara Zachanassian kehrt nach mehreren Ehemännern, um eine Elfenbein-Prothese härter und in Begleitung eines leeren Sargs nach Güllen zurück. Racheschwanger und neureich mit dem ICE heranrauschend, sucht sie nicht Gerechtigkeit, sondern eben Rache, die sie über Jahre vorbereitet und jetzt den scheinheiligen Bürgern kalt serviert. Und sie fallen um, sind käuflich, folgen allzu bereitwillig dem Angebot der einen Milliarde für Güllens Wiederauferstehung. Sie ziehen sich die gelben Schuhe an und auch das Mäntelchen der Unschuld, das ihnen die griechische Rachegöttin Klara gestrickt hat. Einer muss geopfert werden, damit es allen besser geht. Und er wird geopfert. Der Humanismus wird hier zur Hülse entleert und ausgetrieben - und strahlt als Wert vielleicht gerade dadurch noch viel deutlicher zwischen den Zeilen hervor.

Das Nutzen einer Erzählerinstanz, Klaras Tochter lebt und erzählt über diese wundersame Heimatreise der Mutter, macht das Geschehen für das junge Publikum nachvollziehbar. Beeindruckt sind die 9. und 10. Klässler vom blitzschnellen Hineinfallen Astrid Sachers in die typisierten Figuren, vom Beherrschen eines enormen Textpensums und vom geschickten Einsatz des eigens angefertigten Stuhls. Dieser bildet das Zentrum der reduzierten Bühnenlandschaft und wird zum Balkon, zum Krämerladen, zur Kanzel des Pfarrers – schlichtweg zum verlässlich-hölzernen Partner der Hauptdarstellerin. Der Anspruch, das Stück von Patina zu befreien, ist Astrid Sacher geglückt.

So erleben wir alle eine nachdenklich-stimmende und bereichernde Theater-Aufführung, die von der Landeszentrale für politische Bildung gefördert wird und über das Fach Deutsch hinausgehende Impulse sendet.

D. Tews, für die Fachschaft Deutsch